Wer ein Gründach plant, kommt an einem durchdachten Schichtaufbau nicht vorbei – denn nur mit klar strukturierter Funktionsebene erfüllt es seine technische und ökologische Wirkung.
Warum das Schichtprinzip nicht verhandelbar ist
Ein funktionierendes System steht und fällt mit dem Aufbau. Das gilt besonders bei Konstruktionen, die dauerhaft Feuchtigkeit, Temperaturwechseln und Bewuchs ausgesetzt sind. Ohne definierte Schichten leidet die Haltbarkeit, die Tragfähigkeit und im schlimmsten Fall die gesamte Dachabdichtung. Wer auf eigene Faust loslegt oder an der falschen Stelle spart, riskiert nicht nur Sanierungskosten, sondern auch spätere Schäden im Gebäude. Bauherren unterschätzen oft, wie wichtig es ist, dass jede Schicht genau das leistet, wofür sie gedacht ist – nicht mehr, nicht weniger.
Funktionsebene für Funktionsebene – was wirklich zählt
Ein professionell aufgebautes Gründach besteht meist aus fünf bis sieben aufeinander abgestimmten Lagen. Jede Schicht hat eine klar definierte Rolle – und keine ist verzichtbar. Die häufigsten Bestandteile sind:
Funktion | Beschreibung |
Wurzelschutz | Verhindert das Eindringen von Wurzeln in die Dachabdichtung. |
Drainageschicht | Leitet überschüssiges Wasser kontrolliert ab. |
Filtervlies | Trennt Substrat und Drainage, verhindert Verschlämmung. |
Substrat | Leichtes Pflanzmedium – durchlässig, nährstoffarm, strukturiert. |
Vegetationsschicht | Trägt die Bepflanzung – meist Sedumarten oder Kräuter. |
Ergänzend sind bei einem Gründach oft zusätzliche Lagen nötig: Speichervliese für Wasserretention, Schutzmatten gegen mechanische Belastung oder kontrollierte Abflussvorrichtungen. Der Grundsatz bleibt: Jede Schicht übernimmt eine technische Funktion, ohne die das System aus dem Gleichgewicht gerät.
Wo die Fehler häufig passieren
Die meisten Mängel entstehen nicht durch Materialfehler, sondern durch unsauberen Aufbau. Zu den typischen Problemen zählen:
- fehlender Wurzelschutz (führt zu Undichtigkeiten)
- ungeeignete Drainagematten (Stauwasserbildung)
- zu stark verdichtetes Substrat (reduziert Wasseraufnahme)
- unzureichende Kiesschicht an den Rändern (verstopfte Entwässerung)
Diese Probleme entstehen oft durch Eigenbau ohne ausreichendes Fachwissen – oder durch Anbieter, die auf Komplettsysteme verzichten und Einzelteile kombinieren.
Technik trifft Planung: warum Bauphysik entscheidet
Ein Dach trägt Lasten, leitet Wasser ab, muss Temperaturen und Pflanzenwachstum aushalten – gleichzeitig darf keine Feuchtigkeit in die tragende Struktur eindringen. Das verlangt durchdachte Planung: Welches Gefälle ist nötig? Welche Lastreserven braucht das Tragwerk? Wie verändern sich Wasserspeicherung und Entwässerung bei Starkregen? Wer hier ungenau arbeitet, zahlt doppelt – spätestens, wenn das System versagt.
„Ein Gründach ist kein Garten“ – 5 Fragen an Bauphysiker Dr. Lenz
👤 Dr. Lenz ist unabhängiger Bauphysiker, spezialisiert auf Flachdachsysteme und Begrünungskonstruktionen. Wir wollten wissen, was beim Aufbau eines Gründachs wirklich zählt – und woran Projekte oft scheitern.
- Warum ist der Schichtaufbau so entscheidend für ein funktionierendes Gründach?
🗣 Dr. Lenz:
„Weil das gesamte System nur dann stabil, dicht und dauerhaft funktionsfähig ist, wenn jede Schicht exakt das erfüllt, was sie soll. Drainage, Wurzelschutz, Substrat – das sind keine dekorativen Elemente, sondern technische Ebenen mit klarer Funktion.“ - Wie sehen typische Fehler aus, die in der Praxis auftreten?
🗣 Dr. Lenz:
„Fehlender Wurzelschutz kommt leider öfter vor als man denkt – und ist extrem riskant. Auch falsch verlegte Drainageschichten führen regelmäßig zu Staunässe. Dann wird das Substrat schwer, die Statik leidet und die Vegetation kippt.“ - Welche Rolle spielt die Auswahl des Substrats beim Gründach?
🗣 Dr. Lenz:
„Eine zentrale. Es muss leicht, strukturstabil und wasserdurchlässig sein – aber auch nährstoffarm, sonst wachsen falsche Pflanzen. Billiges Substrat aus dem Baumarkt ist keine Lösung. Hier entscheidet das Mischungsverhältnis über Erfolg oder Misserfolg.“ - Komplettsystem oder individuelle Schichtlösung – was raten Sie?
🗣 Dr. Lenz:
„Für Einfamilienhäuser ganz klar: Komplettsysteme. Sie sind geprüft, logisch aufgebaut und reduzieren Fehler. Bei Spezialfällen – z. B. geneigten Dächern – braucht es individuelle Lösungen, aber immer mit Fachplanung.“ - Und was wird oft unterschätzt?
🗣 Dr. Lenz:
„Die Lastreserve der Dachkonstruktion. Viele planen das Gründach isoliert – ohne zu prüfen, was das Dach tragen kann. Und das Thema Wartung. Auch ein Gründach muss inspiziert und gepflegt werden, mindestens einmal im Jahr.“
Normen, die man kennen sollte
Für Systeme mit Vegetationsaufbau gelten DIN-Vorgaben wie:
- DIN 18531 – Abdichtung von nicht genutzten Dächern
- DIN EN 12056 – Entwässerung
- FLL-Richtlinie – Planung, Ausführung und Pflege
Zudem sind regionale Vorgaben zu beachten, etwa im Brandschutz oder bei Abwassergebühren.
Vorgefertigt oder individuell – was ist besser?
Komplettsysteme bieten Sicherheit: Sie sind aufeinander abgestimmt, geprüft und reduzieren Planungsfehler. Individuelle Lösungen hingegen lassen mehr Spielraum – etwa für besondere Dachneigungen oder Bauformen. Wer sich für einen individuellen Aufbau entscheidet, sollte unbedingt eine bauphysikalische Prüfung einplanen.
Kosten-Nutzen-Bilanz: Lohnt sich das alles?
Ja, wenn man auf Langlebigkeit, geringe Wartung und technische Sicherheit setzt. Der Schichtaufbau ist das Fundament eines funktionierenden Systems – und bestimmt, ob sich Investitionen langfristig auszahlen. Reparaturen durch Fehlkonstruktion übersteigen schnell die Einsparungen am Anfang.
Stabile Basis für Funktion und Wirkung
Ein technisches System funktioniert nur, wenn es bis ins Detail durchdacht ist. Das gilt auch für mehrschichtige Konstruktionen. Wer ein Gründach langfristig betreiben will, sollte beim Aufbau keine Kompromisse machen. Jede Schicht erfüllt eine Aufgabe – und sorgt dafür, dass aus einem Dach mehr wird als nur eine Fläche: ein belastbarer, funktionaler und ökologisch wirksamer Teil des Gebäudes.
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